Quelle: netzfrauen.org
Sie stecken in Duschgels, Shampoo oder Zahnpasta. Dort werden Parabene als günstiges Konservierungsmittel eingesetzt. Dabei stehen sie schon lange im Verdacht, in den Hormonhaushalt einzugreifen. Schon vor zwei Jahren sollte die EU-Kommission Kriterien für hormonell wirksame Substanzen vorlegen. Doch bislang liegen sie nicht vor. Schon im Jahr 2011 wiesen Wissenschaftler nach, dass Parabene aus Körperpflegeprodukten ins Blut und ins Gewebe gelangen.
Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnete hormonell wirksame Chemikalien im Frühjahr 2013 als „globale Bedrohung“. Denn es deuten immer mehr Studien darauf hin, dass sie zu verschiedenen Krankheiten führen können, die in den vergangenen Jahren häufiger geworden sind.
Hormonell wirksame Parabene, chemische UV-Filter und synthetische Moschusverbindungen lassen sich in Blut, Harn und Körpergewebe der meisten Menschen nachweisen. Als bedeutendste Quelle für diese Schadstoffbelastung gelten Kosmetikprodukte. Über die Gebärmutter erreichen diese Stoffe auch den sich entwickelnden Fötus und werden im Blut von Neugeborenen ebenso nachgewiesen wie in der Muttermilch.
Hormonell wirksame Chemikalien stehen im Verdacht, das Risiko für Hoden- und Brustkrebs zu erhöhen, bei Männern die Fruchtbarkeit zu verringern, zu Missbildungen der Geschlechtsorgane zu führen, Fettleibigkeit zu fördern und zu verfrühter Pubertät beizutragen. Föten im Mutterleib, Säuglinge und Kleinkinder sind besonders gefährdet.
In Dänemark hat man bereits reagiert und Parabene in Kinderprodukten schon 2011 verboten. Doch die EU-Kommission reagierte erst vier Jahre später. Anlass dafür war eben diese Entscheidung der dänischen Regierung. Die beiden Konservierungsstoffe Propylparaben und Butylparaben dürfen ab April 2015 nicht mehr in Kinderkosmetika enthalten sein, die im Windelbereich zum Einsatz kommen. Betroffen sind davon Produkte wie Wundschutzcremes, die üblicherweise auf entzündete Babypopos aufgetragen werden. Grundlage ist eine Bewertung der Konservierungsstoffe durch den Wissenschaftlichen Ausschuss für Verbrauchersicherheit (SCCS) der EU-Kommission.
Anfang 2014 verbot die Kommission die Verwendung von fünf weiteren Parabenen in Kosmetika – Isopropylparaben, Isobutylparaben, Phenylparaben, Benzylparaben und Pentylparaben (siehe Verordnung (EU) Nr. 358/2014 der Kommission), weil nicht genügend Daten für eine Neubewertung vorlagen. Produkte, die nach dem 30. Oktober 2014 auf den Markt gebracht werden, müssen frei von diesen Stoffen sein. Für Kosmetika, die wieder aus- und abgewaschen werden, hat die EU ebenfalls neue Vorschriften erlassen. Diese gelten sowohl für Kosmetika für Kinder als auch für Erwachsene. Demzufolge dürfen Shampoos oder Duschgele künftig nur noch geringere Mengen an Propylparaben und Butylparaben enthalten als bisher: Die derzeit erlaubte Konzentration von 0,4 Prozent bei einzelner Verwendung und 0,8 Prozent bei Verwendung mit anderen Parabenen wird jeweils auf 0,14 Prozent gesenkt.
Synthetische Stoffe imitieren unsere Hormone
Hormonell wirksame Chemikalien sind synthetische Stoffe, die ähnlich wirken wie körpereigene Hormone. Sie sind meist nicht akut giftig, können jedoch wichtige Entwicklungsprozesse stören, die in ganz bestimmten Zeitfenstern des Wachstums ablaufen.
Mehr als ein Drittel der von GLOBAL 2000 im Jahre 2013 getesteten Körperpflegeprodukte enthielten hormonell wirksame Chemikalien. Rund 400 auf dem österreichischen Markt verfügbare Bodylotions, Zahnpasten und Aftershaves wurden auf das Vorhandensein von hormonell wirksamen Chemikalien untersucht. Die am häufigsten nachgewiesenen hormonell wirksamen Stoffe in Kosmetika waren Chemikalien aus der Gruppe der Parabene sowie der UV-Filter Ethylhexyl Methoxycinnamte. Hierbei handelt es sich um Inhaltsstoffe, die nachweislich durch den Gebrauch von Kosmetika in den menschlichen Körper gelangen und deren hormonell schädigende Wirksamkeit bei Tieren klar belegt ist. Wir Netzfrauen hatten in diesem Beitrag Hormonell wirksame Chemikalien in Kosmetik als „globale Bedrohung“ darüber berichtet. Was hat sich an dieser Situation geändert?
Parabene – schädliche Wirkstoffe in Kosmetika
Parabene stecken als günstige Konservierungsmittel in Duschgels oder Zahnpasta. Dabei stehen sie schon lange im Verdacht, in den Hormonhaushalt einzugreifen. MARKTCHECK | 29.3.2016
Parabene – „Plusminus“ macht den Versuch
Das Verbrauchermagazin plus/minus sendete einen Beitrag über Parabene, die als günstiges Konservierungsmittel in vielen Kosmetikprodukten enthalten sind. Dr. Marike Kolossa vom Umweltbundesamt ist auf Schadstoffe im Körper spezialisiert. Sie ist in Deutschland eine der wenigen, die sich wissenschaftlich mit Parabenen beschäftigen. In einer Studie hat sie untersucht, wie sich die Parabenbelastung in den vergangenen Jahren verändert hat. Sie erklärt dazu: „Wir wollten mit unserer Studie sehen, wie stark junge Erwachsene in Deutschland mit Parabenen belastet sind. Dazu haben wir 660 Proben, die Hälfte von Männern, die Hälfte von Frauen untersucht und gesehen, dass über die Zeit die Belastungen zunehmen. Besonders die Frauen sind belastet. Das Ergebnis war: Es ist nicht die Frage, ob Menschen mit Parabenen belastet sind in Deutschland, sondern nur wie hoch sie belastet sind.“
„Plusminus“ macht den Versuch
Trotz der Diskussion um Parabene hat die Parabenbelastung nicht abgenommen. Es wurde getestet, wie schnell Parabene in den Körper gelangen. Dazu wurde gemeinsam mit dem Umweltbundesamt ein Versuch mit insgesamt fünf Probanden gemacht. Dafür kaufen sie Körperpflegeprodukte, die Parabene enthalten. Zu Beginn des Versuchs werden die Parabenwerte im Körper über eine Urinprobe gemessen. Danach verwenden die Probanden beim Duschen, Haare waschen und der Körperpflege zwei Tage lang nur die parabenhaltigen Produkte. Nach zwei Tagen nehmen sie erneut eine Urinprobe. Ob sich der Gebrauch der parabenhaltigen Mittel tatsächlich so schnell niederschlägt? Im Umweltbundesamt überprüft Marike Kolossa die Testergebnisse. Ihr Ergebnis ist eindeutig: Fast alle haben schon vor Beginn des Versuchs Parabene im Urin. Doch nach dem Versuch haben die Probanden zum Teil extreme Spitzenwerte. Ein Tester beispielsweise hatte vorher nichts im Urin, aber anschließend einen sehr hohen Wert. Ein anderer Proband fing schon beim doppelten des Durchschnitts an und ging dann sogar auf das Einhundertfache des Durchschnitts.
Als sie den Testpersonen die Werte zeigen, sind sie darüber schockiert, dass sich schon nach zwei Tagen ein solcher Anstieg bemerkbar macht.
Reaktion der Hersteller
Plusminus wollte wissen, was die Hersteller dazu sagen, und fragte beim Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW e. V.) an, der alle namhaften Kosmetikhersteller vertritt. Ein Interview vor der Kamera möchte man nicht geben. Schriftlich teilt man mit:
»Die Mengen, in denen Parabene aus kosmetischen Mitteln mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen, sind so gering, dass eine hormonähnliche Wirkung nicht eintreten kann.«
Email an Hersteller schreiben
Sie können den Herstellern von Kosmetika Ihre Besorgnis und Ihren Unmut angesichts der Vielzahl von bedenklichen Produkten auf dem Markt mitteilen und sie dazu auffordern, ihr Sortiment von potentiellen hormonellen Schadstoffen zu befreien.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie ich einer Untersuchung von Plusminus/ ARD und Marktcheck/SWR entnehme, enthalten
von Ihnen hergestellte Körperpflegeprodukte hormonell wirksame Chemikalien. Diese Stoffe können störend in hormonelle Steuerungsprozesse eingreifen und werden mit einer Vielzahl möglicher Erkrankungen in Zusammenhang gebracht. Dazu gehören ein Rückgang der Spermienqualität und -anzahl, bestimmte Hormon-assoziierte Krebsarten wie Brust-, Prostata- und Hodenkrebs, verfrühte Pubertät bei Mädchen und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern. Die Weltgesundheitsorganisation hat hormonell wirksame Chemikalien im Frühjahr 2013 als globale Bedrohung bezeichnet.Vor allem Föten im Mutterleib, Kleinkinder und Pubertierende sind durch hormonelle Schadstoffe gefährdet. Denn diese Chemikalien können sensible Entwicklungsphasen stören.
Sie als Hersteller müssen der Verantwortung gegenüber Ihren KundInnen gerecht werden und diese Stoffe vorsorglich aus ihren Produkten nehmen. Ich fordere Sie daher auf, jetzt zu handeln und hormonell wirksame Chemikalien aus Ihrem Produktsortiment zu verbannen.
Vielen Dank.
Hormonähnliche Wirkung nicht ausgeschlossen
Doch das sehen einige Wissenschaftler anders, denn in der Praxis bleibt es nicht bei einer hormonell wirksamen Substanz. Marike Kolossa Umweltbundesamt meint dazu: „Wir haben nicht ein Paraben, sondern wir haben fünf, sechs Parabene im Körper. Wir haben außerdem noch ganz viele andere wie weibliche Hormone wirkende Schadstoffe im Körper und insofern haben wir eine systematische Unterschätzung der Gefährlichkeit unserer Chemikalienbelastung.“
Umstrittene Chemie in Körperpflegemitteln
Doch für die Kosmetikbranche sind Parabene praktisch und vor allem auch günstig. Deshalb wollen viele Hersteller sie weiter verwenden. Ulrike Kallee vom BUND sagt dazu: „Wenn man jetzt Parabene ersetzt, dann muss ich wieder darüber nachdenken, wie ich das mache. Daher ist natürlich der Druck von der Industrie da. Man möchte gerne an diesen Stoffen festhalten, seien sie nun gesundheitsschädlich oder nicht.“
Untätige Behörden?
Eigentlich hätte die EU-Kommission schon vor zwei Jahren Kriterien für hormonell wirksame Chemikalien vorlegen müssen, damit man diese endlich regulieren kann. Doch bislang liegen sie nicht vor. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof nach einer Klage Schwedens festgestellt, dass die Untätigkeit der Kommission ein klarer Rechtsbruch sei. Trotzdem tut sich in puncto Kriterien weiterhin nichts. Der mündige Verbraucher muss deshalb wohl selbst eine Lösung finden und auf parabenfreie Kosmetikprodukte beim Einkauf achten.
App und Naturkosmetik als Ausweg
Dabei können inzwischen Apps fürs Smartphone helfen, wie beispielsweise Toxfox oder Codecheck. Beim Einkauf scannt man einfach den Produktcode ein und die App zeigt, ob Parabene enthalten sind, denn im Kleingedruckten auf der Packung sind sie oft schwierig zu entdecken. Klassische Naturkosmetik enthält übrigens grundsätzlich keine Parabene. Außerdem gibt es inzwischen einige Hersteller, die damit werben, auf Parabene zu verzichten. Video und Mehr Informationen: Parabene- Plusminus/ ARD
In dem Beitrag Kosmetikgiganten und ihre Tricks! stellten wir Ihnen die größten Giganten der Branche vor. Die Industrie zur Herstellung von Körperpflegemitteln und Kosmetika gehört als Subbranche zur chemischen Industrie. Als wichtigste Hersteller weltweit sind der amerikanische Procter&Gamble-Konzern (z. B. Head & Shoulders, Herbal Essences und Wella), Unilever (Axe, Dove, DuschDas, Rexona u.a.) und Colgate-Palmolive zu nennen sowie L’Oréal, wenn man auch pflegende Kosmetik einbeziehen will. L’Oréal, ein Konzern, der übrigens zu Nestlé gehört, gilt als wertvollste Körperpflegemarke der Welt. Die deutsche Nivea kommt auf Rang 4. Sie wussten nicht, dass Nivea zu Tchibo gehört? Dann haben wir einen tollen Bericht für Sie. Wie kam Tchibo zu Kosmetik (Nivea), Klebemittel (Tesa) und Wundpflege (Hansaplast) und was macht Nestlé im Aufsichtsrat?
In diesem Beitrag Krebserregende Chemikalien in Shampoos – Illegal Cancer-Causing Chemicals Found in Nearly 100 Shampoo Brands beschäftigen wir uns mit Shampoo, denn in den USA wurden in fast 100 Shampoo-Marken illegale krebsverursachende Chemikalien gefunden.
Mehr Informationen finde Sie in unserem Beitrag: Wir schminken uns zu Tode – Vorsicht vor diesen Inhaltsstoffen
Jemand aus der Kosmetikindustrie sagte einmal: „Wir verkaufen keine Cremes – wir verkaufen Illusionen.“
Netzfrau Doro Schreier
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